Wohnte „Am Streitfeld“ einst ein streitsüchtiges Völkchen?

um das fragliche Ackerstück einen heftigen Streit zwischen den Städten Schönebeck und dem damaligen Groß Salze (heute Bad Salzelmen) gegeben haben. Die Besitzer hatten oft gewechselt und nun wollte Schönebeck Eigentümer dieses Geländes werden. Die Groß Salzer beanspruchten es jedoch ebenso hartnäckig und so blieb den Kontrahenten nichts anderes übrig, als einen Lokaltermin zu vereinbaren und sich daselbst zu treffen. Ein unparteiischer Richter sollte die Entscheidung fällen. Dieser fragte dann auch einen angesehenen Bürger aus Schönebeck, ob er denn beeiden könne, dass das Flurstück zu seiner Stadt gehöre. Der ausgefuchste Gefragte hatte aber vor der Verhandlung in hinterlistiger Weise heimatliche Erde aus Schönebecker Flur in seine Stiefel gefüllt und schwor also: „Ich stehe auf Schönebecker Erde!“. Der Richter sprach darauf Schönebeck das strittige Flurstück zu.

Schließlich – und das soll auch eine Lehre für ähnlich durchtriebene Herrschaften sein – kam die ganze Geschichte doch heraus. Der Schönebecker mit den Stiefeln sprach einige Zeit später in einem Wirtshaus seiner Heimatstadt kräftig dem Bier zu. Er prahlte in der Öffentlichkeit mit seiner Tat. Die anwesenden Einheimischen feierten ihn und gaben ihm etliche Bierkrüge aus. Es war jedoch auch ein Groß Salzer dabei. Der berichtete natürlich zeitnah dem Groß Salzer Rat, was er erlebt hatte. Der Prozess wurde wiederholt und das Flurstück gelangte in Groß Salzer Besitz. Seitdem führt es den Namen „Streitfeld“.

Nun die „Streitfelder“ und ihre Gäste können sich darauf verlassen, dass es sich nicht um streitsüchtige Vorfahren handelte, die hier wirkten. Im Gegenteil: Sie können stolz auf die Gegend sein, in der sie wohnen. Muss die Flur doch so wertvoll gewesen sein, dass sich zwei Städte ganz erbittert darum bemüht haben. Flurstücke und Straßennamen sagen viel über die Geschichte eines Ortes oder eines begrenzten Gebietes aus. Die Bezeichnungen sind im Volksmund verankert und zum Teil über eine lange Zeit überliefert. Flurnamen zu erforschen ist eine ernsthafte Disziplin. Auch Straßennamen können auf die Historie hinweisen. In Salzelmen sind es vor allem die Namen, die von der Salzsiedung herrühren wie: Edelmannstraße, Am Gutjahr, Nieborn, Namen, die auf Pfänner hinweisen (Baumhauer, Siebold, Geyer, Pfännerstraße, Edelmannstraße usw.). Auf dem Kunstanger wurden die Pferde zur Förderung der Sole zur Weide geführt, während der Gänseanger diesen Vögeln vorbehalten war. Bezeichnungen wie „Blauer Stein“ oder „Galgenberg“ deuten auf Gerichts- oder Richtestätten hin. „An der Arche“ war der Ort eines hölzernen Sammelbeckens, mit dessen Hilfe Süßwasser in die Stadt Groß Salze geleitet wurde. In der Salzstadt gaben alle Brunnen Salzwasser, das sich als Trink- und Brauchwasser nicht eignete. Das Becken in Form eines Kastens sah etwa so aus, wie man sich die Arche Noah aus der Bibel vorstellte. Daher diese Bezeichnung. Die Namen von verlassenen Dörfern (Wüstungen) der Gegend flossen unter anderem in die Straßennamen „Gretnitzer Straße“ oder „Folkwitzer Straße“ ein. Man könnte noch viel, viel mehr über die alten Namen schreiben, über Sandkuhlenfeld, Malzmühlenfeld und Füllkuhle, über Totenheger, Kiebitzberg und Apfelwerder. Aber für heute soll es genug sein. Die Bewohner der Straße „Am Streitfeld“ jedenfalls sind ebenso friedfertig wie die übrigen Menschen unserer Stadt. Diese ging ja 1932 bekanntlich aus der Vereinigung der vormals selbstständigen Orte Bad Salzelmen, Frohse und Schönebeck (Elbe) hervor. Also muss sich heute niemand mehr um die Zuordnung streiten…

Quellen: Die „Weiße Frau“ von der Gruselei : Sagen des Kreises Schönebeck / Hans-Joachim Geffert [Bearb.] ; Horst Howald [Bearb.] ; Günter Zenker [Ill.]. – Oschersleben : Ziethen, 1995. Plan der Orte Schönebeck (Elbe), Bad Groß-Salze-Elmen, Frohse (Elbe) mit einer Spezialkarte Elmens und einem Führer mit geschichtlichem Text von Dr. Paul Krull und Wilhelm Schulze. – Berlin : Pharus-Verl., [um 1925]. Von Britta Meldau