Rathauspreis 2014 für Anders Nyborg

herzliches Willkommen lieber Anders Nyborg! Zunächst einige Stationen seines bisherigen an Höhen - Tiefen sind mir nicht bekannt - reichen Lebens: Geboren ist er 1934 in Kopenhagen Dänemark als jüngster und einziger Sohn von drei Zwillingspärchen. Der Vater war Architekt, die Mutter Bildhauerin, d.h. eine gewisse erbliche Vorbelastung für ein bewegtes Leben ist unverkennbar. Als Jugendlicher sammelte er auf der sog. Künstlerinsel Bornholm erste Erfahrungen in der Malerei und ?verlegte? sich dann - ob aus

Anders_Nyborg_2014c_KopieVerlegenheit weiß ich nicht - auf den Beruf des Verlegers. Die Werke bedeutender skandinavischer Künstler waren sein Metier. Er tauchte dabei ein in die Kunstszene und schlug hier feste Wurzeln. Mit 50 dann ein vielleicht radikaler aber dabei auf jeden Fall konsequenter Schnitt. Der Verlag wurde verkauft und die eigentliche Passion des Malens und der Bildhauerei wurde zum bestimmenden Lebensinhalt. Er ist sicher das was man gemeinhin einen Kosmopolit nennt, wobei wie ich meine, dass mehr der Kosmos als die Politik bei ihm im Mittelpunkt steht. Er ist quasi ein doppelter Insulaner. Im Sommer auf Bornholm mit seiner Galerie in Svanecke und im Winter auf Mallorca , dort auch als Hobby-Winzer mit eigenem Weingut aber vor allem um der Kunst willen, denn hier hat er länger das Tageslicht für sein Schaffen. Ohne seine Arbeit, ohne Reisen, ohne Wein meint er, kann er sich nicht jung erhalten.

Für ihn gilt das Motto ?das ganze Leben ist ein großer Urlaub, wenn man die Dinge mit Freude tut?. Da kann man sich doch eigentlich nur anschließen. Er ist mit seinen Werken in Europa, aber auch in den USA und in Japan präsent, logischerweise auch in Schönebeck an der Elbe. Ich persönlich kenne seine Galerie in Svanecke, wo wir uns im August 1996 zum ersten Mal begegnet sind. Ein Schlüsselerlebnis war, als uns die Anfahrt vom Fährhafen Rönne auf Bornholm nach Nexö auf der rechten Seite der Straße an eine eher unscheinbaren Metallbaufirma vorbeiführte und dort das fertige Salzkristall in der Sonne funkelte, das den jetzigen dominanten Mittelpunkt unserer großartigen Salzblume darstellt. Wie konnte es dazu kommen werden Sie jetzt fragen. Und hier spannt sich der Bogen zum zweiten Preisträger des heutigen Tages. Ein bisschen auch deshalb wurde heute Karl-Friedrich Gehse soeben ausgezeichnet, denn ihm haben wir diese Verbindung zu verdanken. K.-F. Gehse war bereits als Gastdozent der Bergischen Universität

Anders_Nyborg_2014_KopieGesamthochschule Wuppertal mit den städtebaulichen Bestandserhebungen in der Schönebecker Altstadt befasst , auch mit dem historischen Salzschuppen unmittelbar am Elbufer ,als er 1994 Urlaub auf Bornholm machte und dort-welch Fügung des wohlmeinenden Schicksals-auf Anders Nyborg traf. In den Jahren 1992/93 waren zuvor im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbs die Grundlagen für die Neugestaltung des Elbuferbereiches am neuen Schiffsanlegers entwickelt worden. Dabei war auch ein markanter Turm als Aussichtspunkt und gleichzeitig Blickfang geplant. Daraus wiederum entwickelte unser späterer langjähriger Vorsitzende Peter Strauß gemeinsam mit Anders Nyborg die Idee, dass an dieser Stelle auch eine große Skulptur als neues Symbol für Schönebeck platziert werden könnte. So gab es ausreichend Anknüpfungspunkte und Anders Nyborg ließ sich von K.F. überreden, bei seinem nächsten Besuch in Deutschland auch das Elbufer und den Salzschuppen anzusehen. Anfang 1995 nahmen die Vorstellungen reale Gestalt an. Erste Entwürfe entstanden, wurden diskutiert, verändert und dann gab es ein Modell im Maßstab 1:10 , welches wir heute hier im Dr. Tolberg Saal seit langem wieder einmal bewundern dürfen. Dieses wurde dann neben weiteren eigenen Werken von Anders Nyborg und denen anderer dänischer Künstler in einer wirklich spektakulären Kulisse, dem stillgelegten Heizkesselwerk hier in Schönebeck in einer Ausstellung präsentiert. So fügte der Künstler die Salzgeschichte mit dem Fachwerk des Salzschuppens, dem Transport des Salzes mit Segelschiffen auf der Elbe zusammen. Der Fundamentsockel hat die typische Form der Salzkristalle wie sie in der Siedepfanne entstehen. Die Tragkonstruktion bildet das schon genannte Fachwerk, die Segel der Schiffe sind dargestellt und eine Blumenknospe aus Salzkristallen findet sich in der Mitte.

Anders_Nyborg_2014b_KopieAm 12.Juli 1995 gründetet sich dann auch der Elbufer Förderverein mit zunächst 17 Mitgliedern. Sie hatten es sich zur Aufgabe gemacht, für die Finanzierung und den Aufbau der Salzblume zu sorgen. Was für eine Wahnsinns-Idee! Galt es doch, Kosten in Höhe von 320.000-DM zu stemmen. Es musste um finanzielle Zuwendungen und kostenlose Bauleistungen geworben werden, statische Berechnungen angestellt, eine Baugenehmigung eingeholt und um Zustimmung im Stadtrat geworben werden. Am Ende stand der Erfolg, am 30.Mai 1996 erfolgte der Beschluss. An dieser Stelle möchte ich ein Geheimnis verraten, in der Hoffnung, dass diese Tat zwischenzeitlich verjährt ist: Sie haben ja vielleicht verfolgt, so jüngst in Leipzig oder vor einigen Jahren in Berlin, wie schwer sich Politiker und Öffentlichkeit mit der Entscheidung zu Kunstobjekten im öffentlichen Raum tun, wie häufig über Jahre das Pro + Contra des einen oder anderen Entwurfs diskutiert wird. Also hier der Trick. Lediglich die zur Verfügungsstellung des Grundstücks für den Elbufer Förderverein ohne weitere Verpflichtungen für die Stadt wurde zum Gegenstand der Beschlussfassung durch den Rat gemacht, zum Kunstwerk selbst mussten sich die Stadträte nicht befinden. Alle waren zufrieden und ich hoffe, dass das bis heute anhält. Als dann am 19.Juli auch noch die Baugenehmigung erteilt wurde, konnte das große Werk tatsächlich in Angriff genommen werden. Aber auch die Einweihung der Skulptur sollte in einem besonderen Rahmen erfolgen, also etwas ganz Außergewöhnliches werden. Mit Blick auf die überragende touristische Bedeutung der dänischen Insel wurde in jenen Tagen die Idee der ?Bornholmer Tage? geboren. Dazu wurden die Tourismusverbände Sachsen-Anhalt und Bornholm und viele der örtlichen Gremien mit ins Boot geholt. Gleichzeitig nahm auch das Kunstwerk selbst Gestalt an. Neben dem Fundament mit immerhin 179 Tonnen Gewicht, welches im Herbst 1996 gegossen wurde entstand bei der Fa. Metallbau Henschel in Tornitz der Hauptteil der Skulptur mit 16 Metern Höhe und einem stolzen Gewicht von 25 Tonnen. So konnte dann am 23.Mai 1997 der große Tag kommen. Ein großes Leinentuch verhüllte zunächst noch den wesentlichen Teil der Skulptur-den Künstler Christo konnten wir uns zum Einpacken nicht mehr leisten- zumindest packten auch dicke Wolken die Sonne ein.

Aber welche Metapher             : Im dem gleichen Moment, als die Hülle begleitet von stürmischem Beifall vor etwa 5000 Zuschauern fiel, traf ein intensiver Sonnenstrahl das Kunstwerk und ein bisschen auch die zahlreich erschienenen Vertreter der örtlichen und überregionalen Politik mit dem Botschafter Dänemarks in der Bundesrepublik Deutschland an der Spitze. Die Salzblume in ihrer einmaligen Symbiose aus rostigem Eisen und poliertem Edelstahl erstrahlte erstmals in voller Pracht. Anders Nyborg hat nicht nur sein größtes Kunstwerk an die Elbe gebracht, sondern damit auch dafür gesorgt, dass die Stadt Schönebeck in diesem Augenblick weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde. Jeder Elbschiffer kennt die Salzblume inzwischen. Es besteht auch die vage Hoffnung, dass auch jeder Schönebecker sie inzwischen kennt. Mit dem Bau der Sitzstufenanlage im vergangenen Jahr hat sich die Ansicht der Skulptur auch aus der Fluss-Perspektive noch einmal verbessert. Mit Fug und Recht ist die Salzblume von Schönebeck wie auch jedes einzelne Kunstwerk des Steinbildhauer-Symposiums 2002 ein beredtes Beispiel dafür, dass in unserer Stadt international bedeutende Kunstwerke ihren festen Platz gefunden haben und von den Bürgerinnen und Bürgern wie auch von Besuchern angenommen werden. Anders Nyborg vermittelt in seiner Kunst Visionen, die er in sich trägt, die in ihm reifen. Sie sind teils Mythos, teils Traum, teils Wirklichkeit, die auf eine symbolische Ebene erhoben werden. Die enge Verbindung zwischen Werk und Person machen die von Anders Nyborg entwickelten plastischen Ausdrucksmittel über die ästhetische Dimension hinaus so authentisch und glaubwürdig, so einzigartig. Er hat -so denke ich- erkannt, dass sich in der Kunst niemand auf vorgezeichnete Regeln zurückziehen sollte, denn die künstlerische Freiheit ist das notwendige Korrektiv ? der Gegenpol?zum Ordnungs-und Regulierungsprinzip. Wie sagte es auch der amerikanische Bildhauer David Smith: ?Skulptur hat keine Regel?. Darin liegt ihre Kühnheit! Auch die Erschaffung der Salzblume hat sich nach dieser Maxime gerichtet. Sie ist nicht zuletzt auch deshalb zu einem Wahrzeichen für die Schönebecker Geschichte geworden. Mit der Verleihung des diesjährigen Schönebecker Rathauspreises drücken wir heute noch einmal ein riesiges Dankeschön an den Künstler Anders Nyborg aus.